Lange Zeit wurden Spielen und Arbeiten beziehungsweise Spielen und Lernen als etwas Gegensätzliches betrachtet. Spielen als unterhaltende Tätigkeit, hatte keinen Platz in der ernsten Arbeitswelt. Auch das institutionalisierte Lernen durfte keinen Spaß machen, sondern die Erziehungsaufgabe von Schule war es vielmehr, die Kinder auf den Ernst des Lebens und das Erdulden harter Arbeit vorzubereiten. So jedenfalls ist es zum Beispiel bei Kant nachzulesen (Wechselberger 2012, S. 4). Diese Einstellung hielt und hält sich mancherorts noch bis heute.
Glücklicherweise sorgen neue Annahmen zum Lernen, modernere didaktische Konzepte und die Digitalisierung heutzutage dafür, dass die Grenzen zwischen Spielen und Lernen zunehmend verschwimmen. Lernen darf Spaß machen und Spiele beziehungsweise Spielelemente finden mehr und mehr Eingang in das (institutionalisierte) Lernen. Das Spiel als Ergänzung zu anderen Methoden ist also inzwischen ein anerkanntes didaktisches Mittel.
Bildungswissenschaftler:innen der letzten Jahrzehnte identifizierten zahlreiche lernförderliche Eigenschaften von Spielen. Genannt werden unter anderem das Spiel als (inter)aktiver Prozess, Selbstwirksamkeit, emotionale Komponenten des Spiels, Identifikation mit Charakteren im Spiel, ansteigender Schwierigkeitsgrad oder auch die sozialen Seiten des Spiels (Wechselberger 2012). Befürworter:innen des spielbasierten Lernens nennen weitere Gründe: Unter anderem intrinsische Motivation, direktes Feedback, Belohnung und Wettbewerb.
Dabei gibt es verschiedene Ansätze für die Integration von Spielelementen oder Spielen in Lernprozesse. In diesem Artikel unterscheiden wir in: (Digital) Game-based Learning, Serious Games und Gamification.
Eine allgemeingültige Definition von (Digital) Gamebased Learning existiert bis heute nicht. Wir nutzen (Digital) Gamebased Learning als Sammelbegriff für Lernformate, bei denen (digitale oder analoge) Spiele oder Spielelemente zum Einsatz kommen. Prinzipiell kann jedes digitale oder analoge Spiel zum Lernen genutzt werden. Das können zum Beispiel Planspiele sein oder auch das Brettspiel Monopoly, dessen Spielinhalt anschließend analysiert wird. Das beliebte Open-World-Computerspiel Minecraft (Open Source-Alternative: Minetest) kann in Lernumgebungen genutzt werden, um historische Umgebungen nachzubauen oder auch Visionen für die Zukunft zu modellieren. Im Sinne von Gamebased Learning ist es aber auch möglich, dass die Lernenden selbst Unterrichtsinhalte in Spiele übertragen oder selbst Spiele entwickeln. Wie ein Unterrichtsszenario aussehen könnte, in dem die Lernenden ihre eigenen Spiele mit Twine entwickeln beschreiben wir im Artikel “Game-Design als Methode: In 10 Schritten zum eigenen Twine-Adventure“.
… sind digitale Spiele, die nicht nur zur Unterhaltung, sondern explizit auch zum Lernen gemacht wurden. Mit Serious Games können Lernende tief in (fremde) Welten einzutauchen, Erfahrungen sammeln und erworbenes Wissen aktiv anwenden. Der Spielspaß kann zusätzlich den Lerneffekt unterstützen und Spieler:innen lernen somit nicht immer bewusst, sondern vielmehr passiv durch aktives Handeln im Spiel. Beispiele für Serious Games besprechen wir im Artikel „Unsere 5 Beispiele für spannende Serious Games“.
…meint die Anwendung von einzelnen oder mehreren Spieldesignprinzipien in spielfremden Kontexten. Spielfremde Kontexte sind dabei nicht nur Lernumgebungen, sondern prinzipiell alle Umgebungen, in denen Menschen motiviert werden sollen zu lernen oder auch erwünschte Verhaltensweisen anzunehmen. Spieldesignprinzipien können zum Beispiel eine Rangliste beziehungsweise ein Wettbewerb sein, sichtbarer Fortschritt bezieungsweise sichtbarer Status (zum Beispiel Erfahrungspunkte), direktes Feedback, oder eine spezielle Mission (Quest), die es zu erfüllen gibt und an deren Ende eine Belohnung steht. Dadurch wird sich mehr Engagement und eine Motivationssteigerung erhofft.
Gamification wird häufig im Marketing zur Kundenbindung eingesetzt, aber zum Beispiel auch von manchen Krankenversicherungen im Gesundheitsbereich. Dort können Versicherte zum Beispiel mit Vorsorgeuntersuchungen oder einem Schrittzähler Punkte sammeln, um Boni zu erhalten.
Ein bekanntes Beispiel sind die „Piano Stairs“ in Stockholm. Ausgehend von der Frage, wie mehr Menschen motiviert werden können, in einer U-Bahn-Station die Treppe, statt der Rolltreppe zu benutzen, wurde die Treppe zum Klavier umgebaut, sodass jeder Tritt auf eine Stufe einen Klang erzeugte. Am Ende nutzen 66% mehr Menschen die Treppe, statt der Rolltreppe. (Link zum YouTube-Video)
Auch im Unterricht können Spielelemente eingesetzt werden, indem zum Beispiel die Lehrkraft Lerninhalte in spannende Geschichten verpackt oder Arbeitsaufgaben als Missionen ausgestaltet und die Lernenden Punkte sammeln können. Auch Quiz-Tools wie Kahoot! oder Mentimeter sind beliebte Ergänzungen für den Unterricht.
Die Gruppen präsentieren ihre Zwischenstände im Plenum und holen sich Feedback und weitere Umsetzungsideen von der Großgruppe ein.
Die Bundeszentrale für politische Bildung befasst sich immer wieder mit verschiedenen Formen von Lernspielen:
Wechselberger, Ulrich (2012). Game-based Learning zwischen Spiel und Ernst. Das Informations- und Motivationspotenzial von Lernspielen aus handlungstheoretischer Perspektive. München: kopaed.
Foto: Pixabay
Kreatives Denken zum Wochenstart: Jördis Dörner schreibt in unserem Projekt Learning Architects aller zwei Wochen an alle Lerngestalter:innen. Der Newsletter möchte inspirieren, anregen und Menschen ins Handeln bringen.