Foto: Im Vordergrund ist der Hinterkopf eines Kindes mit Kopfhörern. Es spielt ein Computerspiel, dessen Inhalt unscharf im Hintergrund auf einem Bildschirm zu sehen ist.

Unsere 5 Beispiele für spannende Serious Games

Serious Games sind Spiele, die nicht nur der Unterhaltung, sondern explizit auch dem Lernen dienen. Die Definition und Abgrenzung zu anderen Lern-Spiel-Kombinationen haben wir bereits im Artikel (Digital) Game-based Learning erläutert. Also was macht ein gutes Serious Game aus?

Merkmale guter Serious Games

Guten Serious Games gelingt es, ernste Themen mit den Mechanismen eines Spiels so zu verbinden, dass sich das Spielen wirklich wie spielen anfühlt und trotzdem Inhalte vermittelt werden. Ein gutes Spiel überrascht die Spieler:innen in irgendeiner Hinsicht und bleibt gleichzeitig den gewohnten Mechanismen treu, damit es nicht zu kompliziert wird.

Diese Spielmechanismen sind zum Beispiel: Levels, Zeit, Belohnungen, Quests (Aufgaben), Erfahrungspunkte und Fortschrittsbalken. Wenn schwierige Inhalte vermittelt werden, ist die Spielsteuerung eher einfach gehalten. Dann können sich die Spieler:innen auf den Inhalt und die Handlung konzentrieren und werden nicht durch eine komplizierte Steuerung gedanklich abgelenkt.

Handlung und Charaktere, aber auch die Spielmechanik sollten überzeugen. Die Spielmechanik beschreibt den Ablauf des Spiels und die Spielregeln für die Spieler:innen, um ein gelungenes Spielerlebnis zu ermöglichen. Damit sind zum Beispiel die Handlungs- und Levelstruktur gemeint oder die Unterteilung der Handlung in Kapitel, doch auch, dass die Spielenden kausal voneinander abhängige Herausforderungen zu bestehen haben oder sie Entscheidungen treffen dürfen. Wenn Spielende intrinsisch motiviert sind, ein Spiel zu spielen, und somit emotional mit dem Spiel verbunden sind, handelt es sich um ein erfolgreiches Spielerlebnis. Das wird erreicht, wenn die Spielenden einen Kompetenzzuwachs, Selbstbestimmung und soziale Eingebundenheit erleben. Zudem ist es wichtig, verschiedene Handlungs- und Interaktionsmöglichkeiten zu haben, um Autonomie erfahren zu können. Denn zu spielen bedeutet, auszuprobieren und sich in andere Rollen hineinzuversetzen, ohne Konsequenzen in der Wirklichkeit fürchten zu müssen. Gewinnen und Verlieren sind dabei nicht immer klar voneinander zu trennen und weder gut noch schlecht, beide Erfahrungen sollen vielmehr einen Lernprozess anregen.

Angebot und Themenvielfalt

Das Angebot an Serious Games ist riesig und die Themenvielfalt unendlich. Es gibt zum Beispiel Serious Games zu Geschichte und Erinnerungskultur, aktuellen politischen Themen wie Flucht und Vertreibung, Klima und Umwelt, Netzpolitik, Identität, Gender und Diversity bis hin zu explizit medienpädagogischen Themen wie Fake News, Hass im Netz oder Cybermobbing. Auch fachspezifische Serious Games für den Unterricht werden immer öfter entwickelt. Eine ausführliche Linkliste mit vielen Beispielen stellen wir euch unter diesem Link bereit. Bei allen recherchierten Spielen handelt es sich den Angaben nach um Serious Games, da wir allerdings viele der Spiele lediglich recherchiert aber nicht ausprobiert haben, können wir über deren Qualität oder Zugänglichkeit keine Aussage treffen. Dennoch möchten wir euch unsere Rechercheergebnissee nicht vorenthalten.

Unsere 5 Beispiele für gelungene Serious Games

Einige Spiele haben wir aber selbst gespielt und wollen euch daher Beispiele vorstellen, die wir für den Einsatz in Lernsettings für geeignet halten. Die Beispiele sind sehr unterschiedlich und sollen die Bandbreite an Möglichkeiten aufzeigen. Wir haben uns in unserer Auswahl zunächst auf kostenlose Angebote konzentriert, die entweder im Browser gespielt oder als App installiert werden können.

Welten der Werkstoffe

Welten der Werkstoffe ist ein Point-and-Click Adventure, welches im Browser gespielt werden kann. Das Spiel richtet sich in erster Linie an Studierende verschiedener Ingenieurstudiengänge . Auch wenn dies eine recht spezifische Zielgruppe ist, möchten wir es euch dieses Game dennoch vorstellen, da es – wie wir finden – das Adventure Genre sehr gut darstellt und durchaus auch fachfremden Menschen Freude bereiten kann. Im Spiel hat die Protagonistin und Heldin Nicole Nickel die Aufgabe, ihren Professor zu befreien, der von seinem Alter Ego aus einem Paralleluniversum gefangen gehalten wird. Auf ihrem Weg begegnen ihr immer wieder knifflige Rätsel, die sie lösen muss, um weiterzukommen. In den anspruchsvollen Aufgaben müssen die Spieler:innen ihr Wissen zum Thema Werkstoffkunde anwenden. Das Spiel ist nicht nur grafisch sehr schön gestaltet, sondern hat vor allem ein sehr unterhaltsames Storytelling, sympatische Figuren und lustige Dialoge. Es macht Spaß dieses Spiel zu spielen. Für die Studierende kann das Spiel eine abwechslungsreiche Ergänzung zum Beispiel beim Lernen für Prüfungen sein.

Das Spiel wurde vom Cologne Game Lab im Auftrag des Instituts für Werkstoffanwendung entwickelt.

StadtklimaArchitekt

StadtklimaArchitekt ist ebenfalls ein Browsergame, welches leicht verstanden und schnell gespielt werden kann. Die Aufgabe ist, eine klimafreundliche Stadt zu planen, in der genügend Wohnraum, Arbeitsplätze und Verkehrsmittel existieren. Während des Spiels wird schnell klar, dass das keine leichte Aufgabe ist. Es treffen viele verschiedene Interessen aufeinander, die nur schwierig an einem Ort zu befriedigen sind. Am Ende verliert also immer eine:r.

Das Spiel benötigt technisch keine großen Voraussetzungen und ist vom Gameplay her recht einfach gehalten. Inhaltlich liefert das Spiel wenig Erklärungen, sondern zunächst die Erfahrung, selbst Entscheidungen für oder gegen eine Baumaßnahme zu treffen und diese für sich zu begründen. Damit eignet sich das Spiel vor allem als Diskussionsgrundlage und für den Einstieg ins Thema klimafreundliche Stadt. Wir empfehlen das Spiel ab Klasse 8.

Das Spiel wurde vom Exzellenzcluster CliSAP der Universität Hamburg entwickelt und ist lizensiert unter der CC-BY-NC-ND 4.0 International Lizenz.

Exit Klimakrise

Exit Games oder auch Escape Games sind ein sehr beliebtes Spielformat der letzten Jahre. Das Spiel Exit Klimakrise ist eine Mischung aus Exit Game und Point-and-Click Adventure, welches online im Browser gespielt wird. Thema des Spiels sind die Auswirkungen von Konsum auf die Klimakrise in den Bereichen Kleidung und Kosmetik, Ernährung und Technologie. Die Spieler:innen schlüpfen in die Rolle einer Agentin der Geheimorganisation Next Level Society. Sie sammeln Informationen und lösen Aufgaben. Für die Recherche und Lösung der Aufgaben benutzen sie verschiedene Websites und Tools im Netz.

Wenn auch an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Text zu lesen ist, besteht das Spiel insgesamt aus einem sehr guten Medienmix. Die Aufgaben sind knifflig und mit deren Bearbeitung kann eine Menge gelernt werden. Einerseits werden Fakten zur Klimakrise erworben und andererseits werden verschiedene Tools im Netz kennengelernt. Das Spiel kann allein oder auch mit der ganzen Klasse gespielt werden. Empfohlen wird es ab einem Alter von 14 Jahren. Die Spieldauer beträgt 60-90 Minuten. Das Exit Game bietet eine schöne Abwechslung im Unterricht oder einen eindrucksvollen Einstieg ins Thema. Alle Themen, die im Spiel behandelt werden, können anschließend auch für sich genommen im Unterricht vertieft und reflektiert werden. Dafür gibt es zusätzlich kostenlose Unterrichtsmaterialien von der Welthungerhilfe.

Das Spiel ist ein Angebot der Welthungerhilfe.

The Unstoppables

The Unstoppables – eine Mischung aus Jump and Run und Point-and-Click-Adventure – thematisiert das Thema Diversity und Barrierefreiheit. Die vier Freund:innen Mai, Jan, Achim und Melissa suchen den Blindenhund “Tofu”, welcher von einem geheimnisvollen Schurken entführt wurde. Die Herausforderungen können die vier nur gemeinsam bewältigen, weil sie sehr unterschiedliche Fähigkeiten haben. Die Spieler:innen müssen einen Weg finden, Barrieren abzubauen, indem jeweils eine:r der Vier ihre:seine Fähigkeiten nutzt und damit den anderen hilft. Dabei haben die Spielenden unterschiedliche Geschwindigkeiten und das Vorankommen im Spiel ist dadurch teilweise mühsam. Genau das ist ein wichtiger Teil der Spielerfahrung, denn so können sich Spieler:innen in Menschen hineinfühlen, die tagtäglich von Barrieren behindert werden.

Grafisch ist das Spiel sehr ansprechend umgesetzt und auch das Sounddesign überzeugt mit lockerer Klaviermusik und einer passenden Soundkulisse. Das Spiel wird als App für Android oder Apple angeboten und kann mobil gespielt werden. Mit dem zusätzlichen Unterrichtsmaterial kann das Thema Diversity im Anschluss vertieft werden.

Das Spiel wurde im Auftrag von Cerebral – Schweizerische Stiftung für das gelähmte Kind entwickelt.

Loulu

In Loulu geht es um rechte Netzwerke und Hass im Netz. Im fiktiven Netzwerk vire wird die Protagonistin und feministische Influencerin Frida Opfer eines Shitstorms. Schnell wird klar, dass dieser von rechten Trollen gesteuert war. Die Aufgabe der Spieler:innen ist es, gemeinsam mit Frida und der Internetexpert:in Robin, das Strategiehandbuch der rechtsextremen Bewegung zu finden und aufzudecken.

Die Spieler:innen tauchen zunächst in eine Social Media-Welt ein, die ihnen an vielen Stellen von Instagram oder TikTok bekannt ist: Kurze Videoclips von Influencer:innen mit Content zu Katzen, Beauty oder  auch Feminismus. Zwischendrin findet sich immer wieder Content der Influencerin Loulu, die viel über Heimat, das Frauenbild und Muttersein spricht. Die Spielenden müssen diesen und anderen rechten Content identifizieren und geraten so immer tiefer in die rechten Netzwerke.

Die Spielentscheidungen sind in Loulu zwar begrenzt, aber die Handlung der Geschichte ist authentisch und spannend gehalten. Rechter Content und deren Strategien werden für die Spieler:innen in ihren Nuancen erkennbar. Auch die Hilflosigkeit von Menschen, die von rechten Trollen im Netz attackiert werden, wird deutlich und der Impuls, helfen zu wollen kommt auf. Zusätzlich zu der Geschichte um Loulu und rechte Strategien, finden sich in dem Spiel auch Beiträge, in denen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder die Funktionsweise von Algorithmen auf vire erklärt werden. So findet ganz nebenbei auch noch Medienkompetenzförderung statt.

Loulu ist ein mobiles Game, welches bequem auf dem Smartphone gespielt werden kann. Aufgrund des expliziten Contents ist das Spiel erst ab 18 Jahren empfohlen. Für die jüngere Zielgruppe ab 14 Jahren können wir das Spiel HIDDEN CODES von der Bildungsstätte Anne Frank empfehlen. Auch hier müssen die Spieler:innen soziale Netzwerke durchforsten, um rechte Codes zu entlarven.

Loulu ist ein digitales partizipatives Theater, das vom Künstler:innen-Kollektiv onlinetheater.live entwickelt wurde.

Unser Fazit

Beim Einsatz von Serious Games in Lernsettings ist die Einbettung in den Lernkontext entscheidend. Die Spiele sollten mit dem Unterrichtsstoff verflochten werden und nicht ohne Vor- oder Nachbereitung gespielt werden. Zur Vorbereitung gehört auch, dass die Lehrkraft das Spiel vorher selbst zumindest angespielt hat und weiß, was auf die Lernenden zukommt. Bei der Spielauswahl kommt es immer auf das Ziel an, das ihr mit dem Einsatz verfolgen wollt. Grundsätzlich solltet ihr euch als Lehrkraft oder pädagogische Fachkraft folgende Fragen stellen:

  • Kann das Spiel den Unterricht bereichern?
  • Ist das Spiel für mein Thema und meine Zielgruppe geeignet? (Alter, Vorwissen, Komplexität des Themas, technische Voraussetzungen)
  • Wieviel Zeit kann für ein Spiel eingeplant werden?
  • Macht es Spaß, das Spiel zu spielen? (Motivation)

Und wenn alle Serious Games durchgespielt sind, dann können Lernende ihre eigenen Spiele designen und umsetzen. Wie das funktionieren kann, beschreiben wir im Artikel “Game-Design als Methode: In 10 Schritten zum eigenen Twine-Adventure

Noch mehr zu Serious Games?

Die Stiftung Digitale Spielekultur bietet eine Sammlung mit Spielen für pädagogische Kontexte und stellt dazu jeweils noch Informationen zu den Spielen bereit.

Die englischsprachige Webseite von Games for Change listet Spiele auf, die sich mit sozialen Themen auseinandersetzen und für pädagogische Kontexte genutzt werden könnten.

Auf der Webseite der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg sind Unterrichtskonzepte, Spielbewertungen und wissenschaftliche Beiträge zu Spielen zu finden.

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) veranstaltete im November 2021 das 38. Forum Kommunikationskultur zum Thema “Medienpädagogik und Spielkulturen”. Alle Vorträge, Gespräche und Interviews können nachgeschaut sowie alle Materialien zu den Impulsvorträgen und Workshops heruntergeladen werden.

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) kuratiert eine große Datenbank für (analoge) Planspiele. Bei Planspielen versetzen sich Lernende in Rollenspielen in politische Themen.