Game-based Learning meint einerseits den Einsatz von Spielen, Lernspielen (Serious Games) oder einzelnen Spielelementen in spielfremden Kontexten (Gamification). Es kann aber auch bedeuten, Game-Design und Spielentwicklung als Methode einzusetzen und Lernende selbst Spiele entwickeln zu lassen. In diesem Artikel beschreiben wir, wie das konkret in einem Lernsetting aussehen kann.
Das Game-Design steht am Anfang einer Spielentwicklung und meint die Konzeption von Spielwelten mit all seinen Charakteren, Regeln und Spielentscheidungen. Außer theoretischen Konzepten entstehen beim Game-Design meist auch Prototypen. Mit Hilfe verschiedener Tools können Lernende selbst Spiele zu beliebigen Themen konzipieren und umsetzen.
Twine ist ein digitales Tool, mit dem Geschichten mit verschiedenen Handlungsverläufen erzählt werden können. Es macht niedrigschwellig Spieleentwicklung möglich, ohne Programmier- oder Spielkenntnisse vorauszusetzen. Damit eignet es sich für die Erstellung von interaktiven Geschichten (Text-Adventures) oder auch für das Game-Design, welches später mit anderen Tools umgesetzt wird.
Twine (hier herunterladen) ist frei verfügbar (kostenlos und OpenSource), offline und online nutzbar. Es ist für jegliche Themen einsetzbar, für den Einstieg leicht bedienbar, aber auch für komplexere Anwendungen erweiterbar.
Um einen Eindruck davon zu bekommen, was mit Twine möglich ist und wie Geschichten und Spiele damit aussehen können, haben wir ein paar Beispiele verlinkt:
„The Temple of No“ (mit Zeichnungen und Geräuschen, auf Englisch)
Drei Escape Games einer 9. Klasse, die in Twine und mit der Unterstützung des Medienpädagogen Andreas Hedrich erstellt wurden. (mit Bildern, auf Deutsch)
Twine kann im Browser genutzt oder lokal installiert werden. Wir empfehlen, Twine herunterzuladen, damit die Geschichten auch offline bearbeitet werden können und die Daten dauerhaft erhalten bleiben. Zum Arbeiten eignen sich am besten Computer, Laptops oder Tablets. Auf Smartphones arbeitet es sich eher schwierig, da Twine nicht dafür ausgelegt ist. Lernende sollten pro Gruppe mindestens einen PC oder ein Tablet zur Verfügung haben. Auf den Geräten sollte außerdem Software für die Audiobearbeitung (zum Beispiel Audacity) und Bildbearbeitung (zum Beispiel Apps wie PicsArt oder Snapseed) vorhanden sein. Storyboard- und Charactersheet-Vorlagen sind für die Geschichtenentwicklung sehr hilfreich. Vorlagen dafür finden sich im Netz. Nützlich ist es außerdem, verschiedene anschauliche Beispiele von Twine-Geschichten zurechtzulegen.
Das Projekt kann zum Beispiel als Projektwoche zum Abschluss eines Themenkomplexes im Unterricht geplant werden. Alternativ können Lernende sich über mehrere Wochen hinweg mit der Entwicklung der Geschichte beschäftigen. Insgesamt sollten in etwa 20 Stunden Zeit eingeplant werden. Je nach Umfang und Komplexität ist Twine für alle Altersklassen geeignet, sobald Lernende lesen und schreiben können.
Zur Einführung spricht die Lehrkraft mit den Lernenden über das Thema Spiele. Welche Erfahrungen haben die Lernenden? Was macht ein gutes Spiel aus? Was gehört zum Game-Design dazu? Die Ergebnisse können an der Tafel oder in einer Mindmap gesichert werden.
Das Thema ergibt sich aus dem behandelten Lernstoff. Die Lernenden suchen sich einen speziellen Aspekt heraus, den sie näher beleuchten wollen. Für die Wahl des Themas beziehungsweise Entwicklung der konkreten Fragestellung sollte ausreichend Recherchezeit eingeplant werden.
Wie erzähle ich eine spannende Geschichte? Hier können die Lernenden sich zunächst Beispiele anderer Geschichten anschauen und analysieren: Was macht eine gute Geschichte aus? Außerdem können zum Beispiel das 5-Akt-Schema nach Gustav Freytag oder das Konzept der Heldenreise erläutert werden.
Jetzt gehen die Lernenden in Kleingruppen und entwickeln mit Hilfe eines Brainstormings Ideen für ihre Geschichte. Sie überlegen sich ein konkretes Thema, Handlung, Setting, Figuren und die Aufgabe/Herausforderung, die es im Spiel zu bewältigen gilt. Hierfür eignet sich zum Beispiel die 6-3-5-Methode. Anschließend diskutieren die Gruppenmitglieder ihre Ideen und wählen die beste aus.
Bevor die Lernenden ihre Geschichte entwickeln, schauen sie sich Beispiele von Twine-Geschichten an und erhalten eine Einführung in die Plattform. Damit soll klar werden, was die Teilnehmenden erwartet und welche Möglichkeiten sie in der Umsetzung haben.
Im nächsten Schritt entwickeln die Lernenden in ihren Kleingruppen die Handlung und schreiben alles in einem Storyboard auf. Die Geschichte basiert darauf, dass die Entscheidungen der Spieler:innen zu unterschiedlichen Enden führen. Deshalb müssen mehrere Ausgänge der Geschichte entwickelt werden. Die Eigenschaften und Fähigkeiten der Figuren werden in Charactersheets beschrieben. Zusätzlich überlegen sich die Lernenden an dieser Stelle, wie sie ihre Geschichte bebildern und gegebenenfalls vertonen wollen.
Die Gruppen präsentieren ihre Zwischenstände im Plenum und holen sich Feedback und weitere Umsetzungsideen von der Großgruppe ein.
Die Lernenden produzieren jetzt ihre Bilder und Töne für ihre Geschichte. Hier gibt es keine Vorgaben zur Umsetzung. Bilder können gemalt, fotografiert oder auch im Internet gesucht werden. Dafür erfahren die Lernenden, wo sie CC-lizensierte Fotos, Sounds und Musik finden und wie diese korrekt verwendet werden. Wenn sie selbst Bilder und Sounds aufnehmen, benötigen sie zusätzlich Einführungen in die Audioschnitt-Software und die App zur Bildbearbeitung .
Jetzt wird die Geschichte inklusive aller Bilder, Sounds und Musik in Twine überführt. Weil diese Aufgabe meist nur zwei Personen an einen Computer erledigen, bekommen die anderen Gruppenmitglieder die Aufgabe ein Titelbild zu erstellen, einen Teasertext zu schreiben sowie alle Credits für die verwendeten Medien in der richtigen Form aufzuschreiben.
Am Schluss präsentieren alle Gruppen ihre Geschichte im Plenum. Dafür eignet sich zum Beispiel ein Pitch, in dem die Kleingruppen ihre Geschichte vorstellen und den Entstehungsprozess erläutern. Denkbar wäre auch eine Art Gallery-Walk, in dem die Lernenden die Ergebnisse der anderen Gruppen durchspielen. In einer digitalen Präsentation könnten die Gruppen Let´s Plays von ihren interaktiven Geschichten bzw. Spielen erstellen.
Die Interaktionsformen in Twine sind begrenzt, weil es sich um ein reines Text-Adventure handelt. Wenn die Lernenden sich mehr Interaktionsmöglichkeiten (zum Beispiel knifflige Rätsel, Level oder Scores) wünschen, dann können sie ihre Geschichten anschließend zum Beispiel in Scratch programmieren. In diesem Fall würde Twine nur für die Erstellung des Prototypens benutzt werden. Für die Programmierung in Scratch sollte jedoch noch einmal deutlich mehr Zeit eingeplant werden, damit die Lernenden sich in die Plattform einarbeiten, komplexere Spielwelten entwickeln und das Spiel umsetzen können.
Foto: Pixabay | zapCulture
Kreatives Denken zum Wochenstart: Jördis Dörner schreibt in unserem Projekt Learning Architects aller zwei Wochen an alle Lerngestalter:innen. Der Newsletter möchte inspirieren, anregen und Menschen ins Handeln bringen.