In unserem Blogbeitrag „Narrative for bad – Verschwörungserzählungen und mediale Inszenierung“ haben wir uns dem Phänomen Verschwörungserzählungen bereits auf der theoretischen Ebene genähert. In diesem Beitrag möchten wir euch konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.
Der Umgang mit Menschen, die an Verschwörungserzählungen glauben, ist nicht immer einfach und erfordert ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl. Auf konspirative Aussagen mit Protest und dem Aufzählen gegenteiliger Fakten zu reagieren, erwirkt dem Gegenüber meist, dass sich dessen Weltanschauung lediglich festigt. Ein Grund dafür liegt darin, dass Menschen sich unwohl fühlen, wenn sie erkennen, dass bestimmte Informationen ihrem eigenen Weltbild widersprechen. Um diesen Zustand zu vermeiden, werden die „unpassenden“ Fakten kategorisch abgelehnt oder umgedeutet und schließlich die eigene ideologische Weltanschauung bestärkt. In Fachkreisen spricht man dabei vom sogenannten „Bumerang- Effekt“. Viele Menschen verschließen sich aus Selbstschutz vor der Möglichkeit, dass sie vielleicht die ganze Zeit falsch lagen und einem Irrglauben aufgesessen sind.
Achtet darauf, Menschen, die an Verschwörungserzählungen glauben, nicht auszugrenzen oder herablassend zu behandeln. Vermittelt ihr ihnen das Gefühl, dass ihr sie für dumm oder naiv haltet, ist das sehr verletzend und anmaßend. Ein solcher Umgang verhärtet meist die Fronten. Oft verschließen sich diese Menschen dann vollständig und tauchen immer tiefer in eine Parallelwelt ab. Dadurch werden sie immer weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt und sind mit der Zeit zunehmend schlechter erreichbar für Fakten – ein Teufelskreis. Das bedeutet allerdings nicht, dass ihr euch nicht aktiv von hetzerischen und diffamierenden Inhalten distanzieren sollt. Positioniert euch klar, wenn jemand antisemitische, rassistische oder fremdenfeindliche Aussagen tätigt. Wichtig ist hier aber, nicht einfach jemandem über den Mund zu fahren und sich selbst als unfehlbare moralische Instanz zu präsentieren. Besser ist es, mit Fragen zu kontern und auf demokratische Grundwerte zu verweisen. Stellt Fragen wie: „Wer behauptet das?“, „Wieso glaubst du das?“, „Warum sollten diese Menschen das tun?“.
Die Kommunikation mit Verschwörungsdenkenden ist oft eine Gratwanderung. Einerseits dürft ihr derartige Äußerungen weder pauschal als Nonsens abtun, noch ihnen durch Stillschweigen Zustimmung geben. Die richtige Reaktion liegt also irgendwo dazwischen und sollte mit Bedacht gewählt sein. Um die Menschen tatsächlich zu erreichen und einen konstruktiven Dialog zu führen, braucht es gegenseitigen Respekt und einen Dialog auf Augenhöhe. Legt den Fokus weniger auf den Inhalt, sondern versucht, Medienkompetenz zu vermitteln. Häufig sind fehlende Kenntnisse über die Mechanismen Sozialer Netzwerke oder über eine richtige Quellenrecherche der Grund dafür, dass Menschen Verschwörungserzählungen verfallen.
Medienkompetenz bezeichnet unter anderem die Fähigkeit, sich in einer komplexen und digital vernetzten Welt zurechtzufinden. Dazu gehört beispielsweise das Wissen um die Mediensysteme und ihre Wirkung sowie die Bereitschaft, Medien und Medieninhalte kritisch zu hinterfragen. Die meisten Verschwörungserzählungen folgen einem ähnlichen Muster. Die wichtigsten Merkmale sind: das Wissen um geheime Informationen, ein klar identifizierbares Feindbild, Komplexitätsreduktion, einfache Lösungen, keine Existenz von Zufällen und Scheinwissenschaft. Tiefergehende Informationen dazu findet ihr auch in unserem Blogbeitrag „Narrative for bad – Verschwörungserzählungen und mediale Inszenierung”. Sind diese Elemente in einer Meldung oder Behauptung enthalten, ist Skepsis geboten. Die Inhalte können mit den gängigen Faktencheckmethoden unter die Lupe genommen werden.
Die Fähigkeit, Quellen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, ist ein wichtiges Kriterium kompetenten Medienhandelns. Oft ist es gar nicht so leicht in der Fülle an Meldungen, Internetseiten und Beiträgen seriöse Recherchearbeit von Stimmungsmache, Privatmeinung oder manipulativer Propaganda zu unterscheiden. Hierbei hilft es, bei der Quellenüberprüfung nach Belegen und konkreten Beispielen, die die Behauptung stützen, zu suchen.
Folgende Fragen helfen bei der Überprüfung von Quellen:
Verschwörungserzählungen locken durch vereinfachte Erklärungen und stereotype Sichtweisen. Sie blenden Widersprüche aus und konstruieren miteinander verwobene Zusammenhänge von Ereignissen, die eigentlich völlig unabhängig voneinander auftreten. Dem Glauben an Verschwörungen liegt oft der Wunsch zugrunde, den Dingen einen Sinn zu geben und Widersprüche zu beseitigen. Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken, ist die Stärkung von Ambiguitätstoleranz. Der Begriff beschreibt die Fähigkeit, Vieldeutigkeit und Widersprüchlichkeit wahrzunehmen und vor allem auszuhalten. Es geht also darum, dass Menschen erkennen und akzeptieren, dass stets auch vollkommen willkürliche Dinge geschehen können, auf die sie keinerlei Einfluss haben.
Die gute Nachricht: Der Umgang mit Mehrdeutigkeit und Unsicherheit kann trainiert werden. Eine Möglichkeit, Menschen Ambiguitätstoleranz zu vermitteln, ist es, ihnen den Umgang mit Ungewissheiten und Diskrepanzen selbst vorzuleben. Nichts ist immer eindeutig. Man kann zum Beispiel eine Person mögen und akzeptieren, aber gleichzeitig die Einstellung dieser Person ablehnen. Das Aushalten dieses Gegensatzes kann man bereits durch die oben genannten Methoden im Gespräch demonstrieren. Wenn ihr euch tiefer mit dieser Thematik beschäftigen wollt, empfehlen wir euch das Handbuch „Widerspruchstoleranz“ mit theoretischen Reflexionen und praxiserprobten Materialien mit dem Fokus auf antisemitismuskritischer Bildungsarbeit.
Zusammenfassend findet ihr hier eine Liste, die ihr auch Menschen aus eurer Bildungspraxis empfehlen könnt, wenn diese in ihrem privaten Umfeld mit Verschwörungsgläubigen konfrontiert werden und sich Hilfe suchend an euch wenden.
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Kreatives Denken zum Wochenstart: Jördis Dörner schreibt in unserem Projekt Learning Architects aller zwei Wochen an alle Lerngestalter:innen. Der Newsletter möchte inspirieren, anregen und Menschen ins Handeln bringen.