Beitragsbild Influencerinnen und ihre Geschichten. Auf dem Bild sieht man eine Zeichnung. Eine weiblich gelesene Person mit blauen, langen Haaren, einer Sonnenbrille und einer Mütze. Sie trägt ein schwarzes, schulterfreies Oberteil. In der Hand hält sie eine Tasse und führt diese an den Mund.

Die Faszination für Influencer:innen und ihre Geschichten

Influencer:innen polarisieren. Millionen Menschen folgen ihnen in den Sozialen Medien. Millionen Menschen sind genervt oder hassen sie gar. Wer für Jugendliche ein Star auf TikTok ist, ist vielen pädagogischen Fachkräften gänzlich unbekannt. 

Die Welt der Influencer:innen

Um also die Lebenswelt, Interessen, Themen und Trends unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu verstehen, ist ein Blick in die Welt der Influencer:innen unabdingbar. Gerade in der Bildungsarbeit ist es wichtig, hinter die Kulissen zu schauen, aktuelle Phänomene in die eigene Arbeit zu integrieren und dabei Gefahren und Risiken genauso zu (er)kennen wie Chancen und Potentiale. Aus diesem Grund wollen wir euch in diesem Beitrag in die Welt der Influencer:innen mitnehmen und euch Tipps für die pädagogische Arbeit geben.

Was sind eigentlich Influencer:innen?

Nicht alle, die in Sozialen Medien aktiv sind und viele Follower:innen haben, sind gleichzeitig auch Influencer:innen im klassischen Sinne. Der Begriff Influencer:in kommt vom englischen Verb „to influence“: beeinflussen. Influencer:innen nehmen also Einfluss auf andere Menschen, empfehlen Produkte, stehen für einen bestimmten Lifestyle oder eine Haltung. Sie prägen Meinungen und setzen Trends. Ihr Ruhm ist teilweise vergleichbar mit dem von Popstars. Die Bandbreite an Themen und Präsentationsformen von Influencer:innen ist riesig. Sie zeigen Alltägliches, sprechen über Beauty und Fashion, widmen sich Sport und Fitness, geben Tipps zu Ernährung und Lifestyle, leben Luxus, sprechen über Politik und Bildung, bieten Informationen, kreative Anregungen, Unterhaltung, Tutorials und Comedy.

Warum folgen wir Influencer:innen?

Influencer:innen…

  • erzählen Geschichten, die den gleichen Effekt wie Serien haben: Sie wecken Aufmerksamkeit und das Verlangen zu wissen, wie es weitergeht.
  • wirken oft authentisch und gehören meist zur selben Generation wie ihre Follower:innen.
  • sind Identifikationsfiguren. Sie bieten Orientierung und Hilfe bei der Verortung innerhalb der Gesellschaft.
  • können das Gefühl von Zugehörigkeit vermitteln. Sich in einer Gemeinschaft verstanden zu fühlen, sich mit anderen zu vernetzen und auszutauschen sind wichtige Aspekte der eigenen Identitätsbildung (zum Beispiel in Hinblick auf sexuelle Orientierung, Empowerment oder Hobbys).
  • sind inspirierend und haben eine Vorbildfunktion.
  • sind schön, originell, beliebt, lustig, kreativ und unterhaltsam.
  • bieten Ablenkung und Unterhaltung, zum Beispiel nach der Schule, dem Studium oder der Arbeit.
  • suggerieren Nähe durch Einblicke in (vermeintlich) Privates, durch Interaktion und direkte Ansprache (zum Beispiel können die Menschen ihre Beiträge kommentieren und liken. Sie können an Gewinnspielen, Umfragen und Challenges* teilnehmen).
 

So kann die Öffentlichkeit beispielsweise seit Ende 2012 am Leben von Bianca „Bibi“ Claßen teilnehmen. Die Menschen können ihr Fragen zu ihrer Partnerschaft stellen, ihre Schwangerschaften verfolgen und sehen, wie sie mit ihrer Familie Luxusimmobilien in Spanien kauft. Bianca Claßen ist mit ihrem Kanal BibisBeautyPalace YouTuberin der ersten Stunde, bedeutende Influencerin mit Millionen Follower:innen und Millionärin mit einer eigenen Produktserie.

* Challenges sind kleine Aufgaben oder Mutproben, die in Sozialen Medien viral gehen und trenden, weil sehr viele Leute mitmachen und ihre Videos alle unter einem bestimmten Hashtag (#) verbreiten. Tipps zum Umgang mit gefährlichen Challenges bietet Klicksafe.

Influencer:innen-Marketing

Influencer:innen genießen das Vertrauen ihrer Follower:innen und fungieren als sogenannte Testimonials (Werbebotschafter:innen). Oftmals haben sie eigene Produktlinien oder Werbepartnerschaften. Als Vorbilder sind sie Projektionsflächen für das eigene Selbst und schaffen gleichzeitig Anreize für (materielle) Wünsche und Sehnsüchte. 

Jugendliche äußern oft den Wunsch, später auch einmal YouTuber:in oder Influencer:in werden zu wollen, da viele ein makelloses Leben in Wohlstand präsentieren, scheinbar ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, wenig arbeiten für ein Leben im Luxus und als schön, beliebt, glücklich und erfolgreich wahrgenommen werden. Hinter diesem vermeintlich perfekten Leben steckt viel Arbeit. Daher empfehlen wir, die Arbeit von Influencer:innen mit Kindern und Jugendlichen im Bildungskontext zu thematisieren. Hierfür eignet sich beispielsweise die Infografik Influencer auf Instagram von handysektor oder Wie verdienen YouTube-Stars Geld von Klicksafe. Zudem bietet es sich an, auch Werbebotschaften, Kaufapelle und bezahlte Inhalte mit den Lernenden gemeinsam zu analysieren und zu besprechen. Hierfür bieten Klicksafe und Juuuport sehr gute Hintergrundinformationen zum Thema Influencer:innen-Marketing.

Schöne bunte Social Media-Welt?

Nicht ganz! Social Media transportiert auch unrealistische Schönheitsideale und stereotype Rollenvorstellungen, Fake News, Verschwörungsmythen und rechte Hetze. Durch die allgegenwärtige Präsenz und ständige Verfügbarkeit begleiten die Inhalte auf Instagram, TikTok und YouTube Jugendliche nahezu permanent in ihrem Alltag.

Gefahren und Risiken

  • (versteckte) Werbung und Konsumdruck durch angepriesene Produkte und sogenannte Hauls (geshoppte „Beute“, die von den Influencer:innen ausgepackt wird)
  • Gefährliche Challenges
  • Vermarktung eines illusorischen Lifestyles
  • Überholte und stereotype Rollenvorstellungen
  • Unerreichbare Schönheitsideale durch stark inszenierte und bearbeitete Bilder sowie Beautyfilter. Dies kann zum Teil unerreichbare Sehnsüchte in Hinblick auf Körper und Lebensstil fördern, was zu Selbstzweifeln, einem problematischen Selbstbild und Essstörungen führen kann. Die Online-Beratungsplattform Juuuport stellt in diesem Zusammenhang ein extra Angebot unter dem Titel Selbstoptimierung vs. Selbstliebe – Schönheitsideale im Internet zur Verfügung. Dort konstatieren sie:
    Fakt ist: Das ideelle Schönheitsideal weicht stark von der Realität ab. Die deutsche Durchschnittsfrau trägt keineswegs Größe 34, sondern Größe 44. Es erfüllt also nur eine kleine Zahl an Menschen überhaupt dieses Idealbild, das uns tagtäglich fast überall präsentiert wird. Trotzdem vergleichen wir uns selbst mit diesem Ideal und viele sind dadurch mit ihrem eigenen Körper unzufrieden. Das kann gerade bei jungen Menschen schlimme Folgen haben. 30 Prozent der Jugendlichen sind besorgt über ihr Äußeres. Jede:r fünfte 11- bis 17-Jährige zeigt Symptome einer Essstörung. 18 Prozent fühlen sich durch das aktuelle Schönheitsideal unter Druck gesetzt. Diese Zahlen steigen jährlich an. Social Media spielt dabei eine große Rolle.“ Eine weitere Gefahr stellen diesbezüglich sogenannte Mager Coaches dar. Das sind Personen, die meist minderjährige Mädchen auf Intstagram kontaktieren und ihnen beim Abnehmen „helfen“ wollen. Für ihre Hilfe fordern sie jedoch Nacktbilder. In einer vierteiligen Podcast-Serie widmet sich der NDR dem Thema Instagram und Magersucht. 
  • Körpernormen in Sozialen Medien und Beautyfilter bringen zudem das Phänomen der Selfie Dysmorphie (den Wunsch so auszusehen wie das mit Filtern nachbearbeitete Selbst) hervor. Das führ unter anderem auch zu einem Anstieg an Schönheits-Operationen junger Frauen. Interessant sind zu diesem Thema der Beitrag des ZDF Magazin Royal und der Artikel Gefiltert sind wir alle gleich von Nora Voit auf Zeit Campus.

Rechte Propaganda zwischen Kochrezepten und Schminktipps

Rechte Influencerinnen posten mit Hashtags wie #heimatliebe #tradwoman #tradition und #weiblichkeit ihre Inhalte. Sie vermischen gezielt harmlose oder gar erstrebenswerte Einstellungen mit rechten Narrativen von Nationalismus, Deutschtum und Rassismus. Immer wieder spielen dabei Veganismus, Tierliebe, Naturverbundenheit, Gesundheit und Umweltschutz eine Rolle, ebenso wie Fürsorge und Freundschaft – Werte, an die wir gern anknüpfen. Rechte Frauen inszenieren sich mit hübschen Fotos in Sozialen Netzwerken und sind vermeintlich harmlose, liebliche Werbeträgerinnen für konservative Werte, aber auch rassistische Hetze und nationalistische Propaganda. Maßgeblich daran beteiligt ist unter anderem die Identitäre Bewegung.

Mit Kalkül verdrehen sie demokratische Werte und feministische Ziele durch Kampagnen zum Schutz von Frauen in den Sozialen Medien. Hierbei betonen sie die Notwendigkeit zum Schutz weißer, deutscher Frauen, die angeblich durch Migration in ihrer Unversehrtheit bedroht sind. Die Sendung titel thesen temperamente hat zu diesem Thema einen Beitrag gesendet. Weitere Informationen sind auf Belltower News in dem Artikel Rechte Influencerinnen. Rechtsextreme Inhalte schön verpackt und auf Volksverpetzer in dem Artikel 5 Schritte: Wie rechte „Influencer:innen“ junge Menschen auf Instagram manipulieren zu finden. Auch in dem Serious Game Loulu geht es um rechte Netzwerke und Hass im Netz. Mehr zu diesem Spiel findet ihr in unserem Blogbeitrag Unsere 5 Beispiele für spannende Serious Games.

Chancen und positive Aspekte

  • Sichtbarkeit verschiedener Lebensrealitäten, die in den klassischen Medien wenig Platz haben
  • Möglichkeit der Vernetzung und Informationen zu (marginalisierten) Themen und Gruppen
  • Diversität an Themen und Menschen
  • Möglichkeit, selbst sichtbar zu werden und von der Konsument:innenrolle in die Produzent:innenrolle zu schlüpfen
  • Möglichkeit, auch ohne akademische Laufbahn, Inhalte und Themen auf die Agenda zu setzen und in den öffentlichen Diskurs einzubringen
  • Kreativität und Inspiration
  • Spaß und Unterhaltung
  • Tutorials und Ideen zum Nachmachen
  • Positive Gegenbewegungen zu Körpernormen für mehr Realität und Vielfalt in Sozialen Medien, zum Beispiel durch die Influencerinnen sashapallari und natalie_stommel auf Instagram oder denisemmercedes auf TikTok mit ihrem Hashtag #stylenotsize.
  • Hochwertige, reichweitenstarke und diverse Bildungs- und Informationsangebote wie wir sie bereits in unseren anderen Blogbeiträgen vorgestellt haben: Bildung auf TikTok: Unsere liebsten Bildungskanäle, Bildung auf YouTube: Unsere liebsten Bildungskanäle, Bildung auf Instagram: Unsere liebsten Bildungskanäle, Diversität als Chance – im digitalen Raum, auf der Straße, im Herzen. Zusätzlich ans Herz legen möchten wir euch maiLab von Mai Thi Nguyen-Kim und Gewitter im Kopf – Leben mit Tourette von Jan Zimmermann und Tim Lehmann, beide auf YouTube.

Unsere Tipps zum pädagogischen Umgang mit dem Thema Influencer:innen

  • Wissen, was die Zielgruppe interessiert; im Austausch bleiben; nachfragen; Interesse zeigen und begleiten
  • Über Challenges, Kettenbriefe, Kaufappelle und Gruppendruck sprechen: Nein sagen ist erlaubt. Es passiert nichts Schlimmes.
  • Werbung und (unerreichbare) Schönheitsideale thematisieren
  • Gefährliche Challenges melden: Internetbeschwerdestelle oder Jugendschutz.net 

Weiterführende Informationen und Methoden

  • Juuuport: Das Peer-to-Peer-Projekt juuuport hat eine Liste positiver # und eine Informationssammlung zu Schönheitsidealen und ein Online-Hilfs- und Beratungsangebot von Jugendlichen und jungen Erwachsenen für junge Menschen (u. a. zu CybermobbingFake NewsInfluencer:innen).
  • Handysektor: für Jugendliche und Pädagog:innen; Informationen zu digitalen Medien, Tipps zum Umgang mit übergriffigem Verhalten, Übersichten zu Nutzungsbedingungen
  • Schau Hin: Elternratgeber mit Informationen rund um digitale Medien, auch zu Influencer:innen
  • Klicksafe: Tipps für Eltern und Pädagog:innen zu Medienbildung, Checklisten, Informationen zu Social Media Plattformen, Bildungsmaterialien, Methoden, Infografiken, uvm.
  • Internet abc: Informationen rund um digitale Medien für Kinder, Eltern und Pädagog:innen
  • jugend.support: Ratgeber und Hilfe für Kinder ab 10 und Jugendliche zu Netzthemen
  • KF Education Blog: Blogartikel, Wissenswertes und Tipps zu medienpädagogischen Themen, die wir spannend finden (u. a. Social Media, Diversity, Gaming, Podcasts)
  • Podcast FOLLOW4FOLLOW: Vreni Frost spricht in ihrem wöchentlichen Podcast mit Gästen, die in Sozialen Medien aktiv sind und eine große Reichweite haben, über deren Motivation, das Business und was sie bewegt.
  • So geht Medien: Die Medienkompetenzplattform von ARD, ZDF und Deutschlandradio stellt Informationen und Videos auch zum Thema Influencer:innen für Jugendliche und junge Erwachsene zur Verfügung.

Mehr zum Thema

Wenn ihr noch etwas tiefer die Thematik des Storytelling eindringen wollt, empfehlen wir euch unseren Beitrag “Erzähl mir nix?! Storytelling, Narration und Geschichten in der Bildung“. Hier werfen wir einen tieferen Blick auf die Kulturtechnik des Geschichtenerzählers und den Begriff Narrativ. Zudem beleuchten wir warum Storytelling so gut funktioniert und uns Geschichten in den Bann ziehen.

In unserem Beitrag „Digitales Storytelling in der Bildung“ erklären wir, was (digitales) Storytelling ausmacht und wie es in der Bildung eingesetzt werden kann.

Spannende Beispiele gelungener Storytellingprojekte stellen wir in dem Artikel “6 Beispiele für digitales Storytelling” vor.

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