In diesem Blogbeitrag werfen wir einen genaueren Blick auf das Konzept der Safe Spaces in Bildungskontexten. Wir erforschen, was einen Safe Space ausmacht und wie sie dazu beitragen können, eine lernförderliche Umgebung für alle Menschen zu schaffen.
Die Idee von Safe Spaces (dt. geschützte Räume) geht zurück auf die queere Szene in den USA, die in den 1960er Jahren Räumlichkeiten schuf, in denen sich Lesben, Schwule und Transpersonen frei von gesellschaftlicher Diskriminierung über ihre Ausgrenzungserfahrungen austauschen und organisieren konnten. Dieses Konzept einer sicheren und inklusiven Umgebung wurde später auch auf andere marginalisierte Gruppen übertragen. In den Räumen gilt die Regel, dass keine verletzenden, diskriminierenden oder angstmachenden Äußerungen getätigt werden dürfen. An amerikanischen und britischen Universitäten sind mittlerweile jedoch Safe Spaces entstanden, die stark in der Kritik stehen. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, dass in ihnen durch sehr einschränkende Regeln die freie Meinungsäußerung unterbunden wird – also Zensur stattfindet – und dadurch eine gesunde Debattenkultur nicht möglich ist.
In Bildungskontexten und pädagogischen Workshops sollten Safe Spaces mit einer etwas anderen Blickrichtung etabliert werden. In erster Linie bezeichnen sie hier eine Umgebung, in der die Lernenden sich sicher und in ihrer ganzen Persönlichkeit wertgeschätzt fühlen. Sie können ihre Ideen, Meinungen, Fähigkeiten und Erfahrungen einbringen, ohne Angst vor Spott, Zurückweisung oder Abwertung. Gemeint ist also vielmehr eine Kultur des offenen und respektvollen Austauschs, in der die Menschen sich trauen, neue und unbekannte Dinge auszuprobieren, ohne Angst einen Fehler zu machen oder ihre Gedanken frei auszusprechen.
In der Praxis lassen sich Safe Spaces auf verschiedenen Ebenen realisieren. In der Schule können beispielsweise Schutzräume eingerichtet werden, in denen die Regel herrscht, dass alle Informationen vertraulich behandelt werden. Hier könnten die Lernenden ihre Anliegen mit Vertrauenspersonen besprechen. Während eines Workshops oder des Unterrichts lassen sich auch kleine sichere Inseln schaffen. Es können Check-ins und Feedbackrunden eingebaut werden, in denen alle urteilsfrei ihre Ansichten und Gefühle mitteilen können.
In der außerschulischen Bildungsarbeit kann freier agiert werden. Sie unterliegt keinem Bewertungszwang und ist an keine Lehrpläne gebunden. Dadurch lassen sich unabhängigere Konzepte geschützter Räume umsetzen. In diesen Räumen zählt nicht das Ergebnis, sondern der Prozess und die Entwicklung. Scheitern ist ausdrücklich erwünscht.
Workshops, die als Safe Spaces ausgelegt sind, können sich zum Beispiel konkret mit Betroffenen zu Themen wie Cybermobbing oder Hate Speech auseinandersetzen. Diese Herangehensweise ähnelt dem ursprünglichen Konzept von geschützten Räumen als Austauschraum homogener Gruppen. Doch auch indirektes Empowernment durch die Förderung von Mädchen im MINT-Bereich durch gezielte Coding- und Technikworkshops sind denkbar. Selbst innerhalb einzelner Sequenzen eines Workshops finden sich Safe Spaces. So können Lernende in Gaming oder Virtual Reality Workshops in die Rolle von Figuren mit anderen Ansichten als der eigenen schlüpfen und Möglichkeiten in fremden Welten erproben, ohne Konsequenzen in der Realität befürchten zu müssen.
Eine grundlegende Voraussetzung für Safe Spaces sind klare Gruppenregeln. Diese können gemeinsam mit den Lernenden entwickelt oder vorgegeben werden.
Mögliche Regeln könnten lauten:
Doch es ist auch Vorsicht geboten. Durch die Adressierung von gesellschaftlich marginalisierten Gruppen können sich Stereotype verfestigen. Bei einem Workshop „Programmieren für Mädchen“ liegt die Stereotypisierung nahe: Mädchen können keine Mathematik und haben kein Technikverständnis. In Bildungskontexten sollte daher stets reflektiert werden, wer auf welche Weise und mit welcher Zielsetzung angesprochen wird.
Der Zweck von Safe Spaces in Bildungsangeboten ist, sichere Erprobungsräume zu schaffen, in denen Lernende aus gesellschaftlichen Zwängen herausgeholt werden und sich angstfrei ausprobieren können, um dann gestärkt daraus hervorzugehen. Sie sind Räume des Empowernments, die Lernenden eine selbstbewusste Einstellung zur eigenen Individualität und Selbstwirksamkeit vermitteln.
In unserem Learning Architects Playbook, einem kostenlosen Arbeitsbuch zur Entwicklung kreativer und nachhaltiger Lernformate, gibt es eine spezielle Übung zur Etablierung von Safe Spaces. Mithilfe einiger Leitfragen denkt ihr dort darüber nach, wie eurer Safe Space aussehen soll. Zum Beispiel, welche Regeln ihr im Umgang miteinander aufstellen möchtet, die von der gesamten Gruppe geteilt werden.
Bild von Piyapong Saydaung auf Pixabay
Kreatives Denken zum Wochenstart: Jördis Dörner schreibt in unserem Projekt Learning Architects aller zwei Wochen an alle Lerngestalter:innen. Der Newsletter möchte inspirieren, anregen und Menschen ins Handeln bringen.